So sieht das Gebiet im November 2022 aus.
Davor: 25.10.2021
14.5.2020: Bevor man mit den massiven Eingriffen in der Kernzone begann.
Nach rund 2 Monaten Baggerarbeiten im NSG Bingenheimer Ried wurde dieser
jetzt abgezogen. Ich beschäftige mich seit über 30 Jahren intensiv mit dem
Gebiet. Hier jetzt meine Zusammenfassung der massiven Umbauarbeiten im Jahr
2022 und meine Meinung dazu. Fotos und weitere Informationen finden Sie in
den anderen Rubriken dieser Website.
1. Das Gebiet wurde Prädatoren sicher eingezäunt.
Die Maßnahme ist ein Erfolg. Die Brutergebnisse vieler
Vogelarten schnellten nach oben, Details siehe hier
Die Trassenführung des Zauns ist falsch. Im Nordosten
wurde trotz höherer Kosten der Zaun mitten durch das NSG geführt, anstatt
die Wiesenfläche im Nordosten, die zum NSG gehört, mit einzuzäunen.
Kontroll- und Wartungsarbeiten am Zaun in diesem Bereich werden so
erschwert und führen zu massiven Störungen. Der Zaun ist nicht dicht. Es
wurden Waschbären im Gebiet gesehen. Besonders die obere stromführende Litze
führte bisher nur selten Strom. Vogelarten, die ihre Jungen bei Trockenheit
und Nahrungsmangel zum Pfaffensee führen wollten, konnten das nicht mehr.
Dazu gehören Höckerschwäne, Gänse und verschiedene Entenarten. Hier muss
unbedingt nachgebessert werden. Es ist völlig unklar, wie viele der im Ried
geschlüpften Kiebitze und Wasservögel flügge geworden sind. Wo sind z.B. die
140 Löffelentenpulli geblieben? Am 24.11.2022 zählte Dr. Achim Zedler über
130 Löffelenten, darunter 85 diesjährige, an den Gewässern im südlichen
Kreis Gießen. Diese Anzahl ist für die Jahreszeit rekordverdächtig. Da die
Zahlen von Dr. Achim Zedler und mir im August und September erheblich
niedriger lagen, ist völlig offen, ob dieser Anstieg mit den Zahlen aus dem
Bingenheimer Ried zusammenhängt.
2. In den letzten intakten Niedermoorbereichen, die vom
Pflanzensterben in den Jahren 2014/2015 und 2018 verschont blieben, wurden
große Wasserflächen geschaffen. Das Niedermoor wurde weggebaggert. Sumpfige
Bereiche wurden mit dem Aushub abgedeckt. So wurden Teile des intakten
Niedermoors zerstört. Dies geht zu Lasten von Rallen- und
Bekassinenbrutplätzen. Bei fallenden Wasserständen werden die sumpfigen
Bereiche noch schneller austrocknen. Für die Spätentwickler bei den jungen
Amphibien, sollte sich diese Maßnahme positiv auswirken, aber:
Richtig wäre es gewesen, die für die Amphibien
notwendigen Vertiefungen in denjenigen Bereichen zu schaffen, in denen seit
dem Pflanzensterben keine Sumpfpflanzen mehr wuchsen, nämlich in der Mitte
des Gebiets östlich des Mittelgrabens. siehe Foto vom 25.10.2021 im
Vordergrund).
3. Der Mittelgraben wurde stark vertieft. Auch das
führt zu einem schnelleren Austrocknen des Gebiets. Besser wäre es gewesen
alles dafür zu tun, dass der Wasserstand im Frühjahr höher gehalten werden
darf und den Wasserstand nicht auch noch im April künstlich zu senken, was
in den letzten 7 Jahren mehrmals passierte.
4. Der gesamte Aushub wurde entweder für den
Sichtschutzwall auf der Westseite verwand oder zu Hügeln in der Kernzone
aufgeschüttet. Derartige Insel sind seit dem Bau des Zauns völlig
überflüssig und schaden dem Gebiet durch den Verlust von Sumpfflächen.
Richtig wäre es gewesen den Aushub auf den Flächen an der Südspitze des
Gebiets, die bis in die neunziger Jahre als Äcker dienten, flach
auszubreiten und mit einer sinnvollen Pflanzenmischung neu einzusäen. Das
hätte diese Flächen erheblich aufwerten können, aber man zerstört lieber
Sumpfflächen.
5. Der Teich am Wehr wurde nochmal vertieft. Warum
nicht gleich so? Er wurde auch im letzten Herbst vertieft. Es wird
anscheinend weiter planlos rumprobiert. Warum hat man dabei nicht mehr
Rücksicht auf den Schmalblättrigen Rohrkolben genommen?
6. Auch der Amphibienzuchtteich,
der vor Jahren gebaut wurde, wurde erneut vertieft. Man tastet sich an die
richtige Tiefe ran, anstatt einfach durchzumessen.
7. Die letzten hohen Weiden im Gebiet wurden auf Kopf
gesetzt. Das kann sinnvoll sein. Langfristig nützt es dem Erhalt der Bäume.
Aber warum macht man das in 2m Höhe, und schafft für das nächste Jahr und
die Jahre, in denen die Kopfweiden dann zurückgeschnitten werden müssen,
wunderbare Ansitze für Mäusebussarde, Rabenkrähen und Mittelmeermöwen bei
der Jagd auf junge Kiebitze und den Wasservogelnachwuchs, den man doch
gerade mit dieser Maßnahme animieren wollte in dem direkten Bereich um die
Bäume noch häufiger zu brüten. Wasservögel und Rallen haben das, entgegen
Meldungen in der Wetterauerzeitung nach Aussagen eines Fachmanns der HGON der Bereich sei vogelfrei, übrigens schon
immer gemacht.
Richtig wäre es gewesen, wenn überhaupt, die Weiden in
50cm Höhe zu köpfen.
8. Durch den Zaun, den sonderbaren Umbau des
Beobachtungsstands am Wehr und durch den Sichtschutzwall auf der Westseite
wurden Beobachtungsmöglichkeiten für Naturliebhaber stark eingeschränkt.
Eine Besserung ist nicht in Sicht. Man macht Naturschutz ohne die
Bevölkerung mitzunehmen.
9. Nachwievor gibt es vor Ort keinerlei Informationen
zu den Maßnahmen für Besucher des Gebiets.
10. Es gibt auch etwas Positives. Stand heute wurde in
diesem Herbst weniger gemulcht als in den Vorjahren. Man geht auch variabler
vor. Einige Flächen wurden gemäht. Das Mähgut blieb bisher aber liegen.
Durch die ständigen tiefgreifenden Eingriffe des
Menschen mit schwerem Gerät wird der empfindliche Boden massiv verdichtet
und die vorhandene Bodenstruktur zerstört. Dies läuft der Aufgabe eines
Naturschutzgebietes vollkommen zuwider. So hat die Natur wenig oder keine
Chancen ihren eigenen Gesetzmäßigkeiten zu folgen. Unzählige Klein- und
Kleinstlebewesen wurden bereits in den letzten Jahren vernichtet. Derzeit
bleibt nur die Hoffnung, dass die ständige Umgestaltung des Gebietes endlich
aufhört. Kleine Eingriffe sind manchmal notwendig aber die völlige
Umgestaltung des Gebiets mit unabsehbaren Folgen für dieses herausragende
Naturschutzgebiet sind völlig kontraproduktiv. Von
Biotopverbesserungsmaßnahmen kann keine Rede sein.
Verantwortlich für den gesamten Umbau des Gebiets sind
3 Fachleute der HGON, das Forstamt Nidda sowie die Obere Naturschutzbehörde
im Regierungspräsidium Darmstadt.
Ich hoffe, dass die Behörden die Ergebnisse von unabhängigen Wissenschaftlern untersuchen
lassen.
Hanns-Jürgen Roland
Stand 23.11.2022
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